"Jeder hat einen Job zu erfüllen"

Nach dem Sieg gegen Nürnberg und der Übernahme der Tabellenführung spricht Stephan Fürstner im Interview darüber, was Union stark macht, warum es für ihn besser läuft als im letzten Jahr und wie er eine militärische Auseinandersetzung mit Nordkorea erlebt hat.

Eiserne Ketten: Wie haben Sie das Spiel gestern gegen Nürnberg erlebt, bei dem es im Mittelfeld viele Mannorientierungen gab und Sie gegen den jungen Löwen gespielt haben, der sein zweites Zweitligaspiel gemacht hat?

Stephan Fürstner: Es ist erstmal richtig zu sagen, dass der Gegner im Mittelfeld Mann-gegen-Mann gespielt hat, so wollten Sie uns natürlich den Spielaufbau direkt unterbinden. Aber dadurch konnten wir entscheiden, wo der Gegner hinläuft. Ich hab mich nicht so viel mit Löwen beschäftigt, ob er gut oder schlecht gespielt hat... Ist ein guter Junge.

Hat die Mannschaft erwartet, dass Nürnberg so spielen würde? Und gab es dementsprechend Vorgaben, doch zu Aktionen zu kommen? Den größten Einfluss hatten Sie in Umschaltaktionen.

Damit gerechnet haben wir nicht, weil es eher untypisch ist, dass man so Mann-gegen-Mann spielt...

... Stuttgart hat das zum Beispiel auch gemacht ...

... ja, und Bochum macht das auch recht gerne. Aber wir wussten nicht, wie der Gegner sich einstellt, sie haben ohne nominellen Stürmer gespielt. Das war natürlich schon eine überraschende Aufstellung. Und wir haben auch ein bisschen Zeit gebraucht, uns dagegen gut zu positionieren, ein System zu finden, das greift. Und wie Sie schon sagen, das Umschaltspiel in den Balleroberungen war dann das beste Mittel zum Zweck. Dabei haben auch die Platzverhältnisse nicht hergegeben, dass man viel kombiniert, deshalb sind wir eher auf zweite Bälle gegangen - und haben das, je länger das Spiel ging, umso besser umsetzen können.

Fürstner Würzburg

Stephan Fürstner gewinnt einen Ball gegen Würzburg. Auch Toni Leistner betonte zuletzt, dass Fürstners Übersicht sehr wichtig für das Pressingspiel der Mannschaft ist, da der Sechser so viele Bälle abfangen kann. Fürstners 2,9 abgefangene Bälle pro 90min sind der Bestwert im Union-Mittelfeld. Vielen Dank für das Photo an Stefanie Fiebrig.

Diese Saison läuft auch für Sie persönlich viel besser als die erste. Was hat es in der letzten Saison schwer gemacht und inwiefern passen Sie in dieser Saison besser in die Mannschaft?

So etwas hat immer mit mehreren Faktoren zu tun, in der letzten Saison gab es ein bisschen Unruhe, viele Trainerwechsel, auch Änderungen um die Mannschaft herum. Das war für mich eine wahnsinnig interessante Zeit in der ich viel gelernt habe, auch mich viel reflektiert habe. In diesem Jahr habe ich von Anfang an das Vertrauen des Trainerteams gespürt, das ist für jeden Spieler wichtig, egal ob man alt ist oder jung. Wenn man merkt, wichtiger Teil einer Mannschaft zu sein, kann man das zurückzahlen mit Leistung. Das soll nicht in Abrede stellen, dass ich letztes Jahr alles gegeben habe. Dieses Jahr passt einfach besser, jedes Zahnrad greift ins Andere und man fühlt sich wahnsinnig wohl in der Mannschaft. So hat jede Situation ihre interessanten Seiten, die man für sich deuten und reflektieren muss.

In der letzten Saison haben Sie meist im 352/532 als Teil einer Doppelsechs gespielt, nun als alleiniger defensiver Mittelfeldspieler oder neben Felix Kroos im 433. Wie unterschiedlich sind diese Rollen, oder spielen Sie für sich in beiden Fällen ähnlich und es ändert sich nur die Struktur um sie herum?

Nein, es macht schon einen Unterschied, welches System wir spielen. Es ist für Außenstehende manchmal nicht so ersichtlich, aber wir machen uns natürlich Gedanken und sind sehr flexibel. Wir können schnurstracks auch ein System umstellen. Wir wissen ja auch nicht, wie der Gegner sich darauf einstellt. Deswegen wollen wir sehr variabel sein, sodass er sich nach uns richten muss. Dazu muss jeder wissen, was er für einen Job hat, wenn wir das System wechseln. Das macht uns aber auch unberechenbar.

Was sind die konkreten Unterschiede dazwischen, in einer 1-2 oder einer 2-1 Staffelung im Mittelfeld zu spielen?

Die Räume die besetzt sind, auch gegen den Ball. Da versuchen wir natürlich, es dem Gegner so schwer wie möglich zu machen, durch unsere Abwehrketten, hauptsächlich die Mittelfeld und Defensivreihe zu spielen. Wenn man einen offensiveren 10er hat, spielt man im eigentlichen Mittelfeld nur mit zwei Leuten, da entstehen vor allem eins-gegen-eins Duelle. Wir versuchen aber, Überzahl zu schaffen, und Überzahl schafft man nur, wenn man gut verschiebt, wenn man ballnah orientiert ist und nicht unbedingt immer gegnernah. Deswegen versuchen wir oft Überzahl zu kreieren, um in den Räumen nach der Balleroberung schnell umschalten zu können.

Dazu gehört auch der 'Gegenpressing' Impuls der Mannschaft, vielleicht eines von Unions deutlichsten Merkmalen. Wie trainiert man, nach Ballverlusten immer kohärent nach vorn zu verteidigen?

Das war ein Prozess mit dem neuen Trainerteam, dass diesen Aspekt noch stärker forciert als letztes Jahr, als wir in einem anderen System und mit einer anderen Philosophie gespielt haben. Das hat eine Zeitlang gedauert, aber wir haben natürlich unter der Woche Gelegenheit, das zu üben und zu verinnerlichen. Wichtig ist natürlich, dass die tiefen Läufe gegeben sind, vor allem für uns Mittelfeldspieler, sodass wir die Option haben, in die Tiefe zu spielen. Die Mannschaft muss die Philosophie verstehen und jeder einzelne sieht und versteht, warum wir das machen. Und wir schauen uns danach in den Bildern an, dass es fruchtet, wenn man zusammen Bälle erobert und nicht jeder einzelne sein Ding macht, sondern wir als Mannschaft einen Teamgedanken haben, den umsetzen und wenn der Früchte trägt, ist das auch eine Bestätigung für das, was man unter der Woche trainiert.

Ist das auch ein selbstverstärkender Prozess? Je mehr Bälle man erobert, desto größer ist die Überzeugung und desto erfolgreicher die Aktionen...

Ich würde sagen, umso mehr Bälle man erobert, desto öfter hat man die Option, gut umschalten zu können, verglichen damit, mehr verwalten zu wollen. Wir wollen die Bälle gerade in Bereichen gewinnen, die für uns interessant sind, wo wir unsere Automatismen haben, unser Umschaltspiel spielen zu können. Das ist ein großer Teil unseres Spiels und momentan unseres Erfolges.

Im Spiel gestern ist mir aufgefallen, dass Toni Leistner oft sehr weit vorne zu Kopfballduellen geht und dazu risikoreich aufrückt - und seine Qualität und Form ihm das erlaubt. Wie helfen solche individuellen Abläufe dem Vertrauen in das System der Mannschaft?

Naja, jeder hat einen Job zu erfüllen und probiert seine Stärken einzubringen. Toni ist einfach ein Zweikampfmonster, der da alles abräumt - Robo [Puncec] aber auch, da kannst du die ganze Viererkette nehmen. Ich denke, im Kopfball- und Zweikampfbereich haben wir insgesamt sehr gute Werte. So probiert jeder seinen Job zu machen und wir haben ganz klare Absprachen, wer in welchen Situationen zum Ball geht, wer absichert - ein großes Lob geht also an die ganze Mannschaft.

Noch einmal zu etwas ganz anderem: Sie haben mal ein Militärländerspiel gegen Nordkorea gespielt. Wie war das so?

Genau, das ist schon länger her, da durfte ich mit der Bundeswehrauswahl eine Militärweltmeisterschaft spielen. Die Jungs hatten einiges drauf, wir haben glaube ich auch verloren ... Die Weltmeisterschaft war in Indien, ich konnte da nette Leute kennen lernen. War eine spannende Zeit.